Nur 7 Tage nach dem Halbmarathon in Berlin, am 28. August, habe ich mich mit etwas mulmigem Gefühl nach Rinteln aufgemacht. Dort ist Start und Ziel der Großen Weserrunde, ein Radmarathon über Distanzen von 150, 200, 250 und 300 km. Ich hatte mich für 200 km entschieden. Vor der Streckenlänge hatte ich zwar Respekt, viel mehr aber vor den Höhenmetern und starkem Gegenwind.
Knapp 500 Teilnehmer hatten sich angemeldet. Die Wettervorhersage sah reichlich Regen vor. Bereits am Start um 7 Uhr bekam ich den ersten Schauer ab. Am Start sah ich viele Teilnehmer mit Regenüberschuhen. Ich hatte meine Ausrüstung zuhause mindestens 3 x gecheckt, alle Varianten mit Jacken und Westen durchgespielt. Nur an die Überschuhe hatte ich nicht gedacht. Die lagen zuhause im Schrank.
Nach ca. 1 Stunde ließ der Regen nach, es war fast immer bewölkt, aber für die nächsten Stunden trocken.
Die Temperaturen gingen bis auf 17 Grad hoch. Die ersten ca. 155 km geht es auf dem auch bei Radwanderern beliebten Weserradweg entlang.
Da konnte ich erahnen, warum der zu den beliebtesten deutschen Radwegen gehört. Der Untergrund war entgegen meiner Befürchtungen sehr gut, oft mit ganz glatter Asphaltdecke. Ab und zu wurde man weggeführt und fuhr durch kleine Ortschaften. Aufgrund des Wetters
war wenig Autoverkehr und auch auf dem Radweg war es überhaupt nicht voll. Die Ausschilderung war hervorragend und man brauchte kein Navi.
Die 3 Verpflegungsstationen bei ca. km 40, 100 und 140 waren top. Neben den üblichen belegten Brötchen, Bananen, Äpfeln und Riegeln, gab es Nudeln mit Tomatensoße, eine sensationelle Gulaschsuppe, frisch gebackene Waffeln und Butterkuchen. Und überall guten Kaffee, was für mich besonders wichtig ist. Fazit der Verpflegung: ich hab alle Riegel und Gels nur spazieren gefahren. Mit der ganz normalen Nahrung bin ich bestens zurechtgekommen. Insbesondere die heiße Suppe hat mich durchgewärmt, vor allem die kalten Füße.
Der Wind spielte kaum eine Rolle, weder von vorn noch von hinten. Dann ging es richtig zur Sache, die Weser wurde verlassen und es ging von 60 m auf 340 m Höhe – die sogenannte Ottensteiner Höhe. Und die Steigungen hörten bis zum Ziel nicht mehr auf.
Zeitgleich begann ein Dauerregen, der teilweise sehr heftig war und auf der Straße bildete sich Aquaplaning. Mental hatte ich mich darauf eingestellt, mit knapp 7 km/h die Steigungen hochzufahren, aber im ständigen Dauerregen war es ein echter Charaktertest. Wo es hochgeht geht es auch irgendwann runter. Mit beschlagener Brille und vor Nässe quietschenden Bremsen habe ich auf der serpentinenähnlichen Abfahrt ziemlich viel Adrenalin ausgeschüttet. Von hinten rauschten ab und zu kleine Gruppen von Radfahrern, die auf der 300 km Strecke unterwegs waren, mit ca. 60-70 km/h an mir vorbei.
Als ich unten angekommen war, konnte ich meine Finger kaum noch bewegen, so heftig hatte ich auf die Bremshebel gedrückt.
Stehen bleiben hatte keinen Sinn, da wurde man nur kalt. Also weiter bis ich nach 12 Stunden und 10 Minuten das Ziel erreicht hatte. Meine Socken konnte ich auswringen, aus den Lederpolstern der Handschuhe tropfte ein schwarzer Saft.
Das war sicher das Härteste was ich mit dem Rennrad bisher gemacht habe, aber ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass meine Power reicht.
Außer einer starken Müdigkeit am nächsten Tag gab es keinerlei Wehwehchen, abgesehen von kleinen Schwielen im Sitzbereich.